Überblick

Von der auf acht Reihen angelegten Leibniz-Gesamtausgabe wurde der Potsdamer (bis 1996: Berliner) Arbeitsstelle die Reihe IV: 'Politische Schriften' und die Reihe V: "Sprachwissenschaftliche und Historische Schriften" zur historisch-kritischen Edition anvertraut. Die dazu gehörende Korrespondenz wird in Reihe I: 'Allgemeiner, politischer und historischer Briefwechsel' in Hannover ediert. Die philosophischen Schriften und die entsprechende Korrespondenz bilden den Inhalt der Reihen VI bzw. II (Münster), die mathematischen Schriften und Briefe werden in Reihe VII bzw. III (Hannover) herausgegeben. Seit Anfang 2001 arbeitet die Berliner Leibniz-Editionsstelle an Reihe VIII (Naturwissenschaftliche, medizinische und technische Schriften).

Das fast unübersehbare Gesamtwerk eines der größten Universalgelehrten der europäischen Philosophie- und Wissenschaftsgeschichte wird in zahlreichen Drucken und einigen Teilausgaben, vor allem aber in über 60.000 handschriftlichen Textzeugen (ca. 85% davon im Leibniz-Archiv der Niedersächsischen Landesbibliothek in Hannover befindlich) überliefert. Letztere bilden zum weitaus größeren Teil die Textgrundlage für die Edition der politischen Schriften; ein erheblicher Teil dieser Texte wird in der von der BBAW betreuten Reihe erstmals veröffentlicht. Der Begriff des "Politischen" ist so weit gefaßt, daß zu den Dokumenten der Reihe IV, wie der frühere Leiter der Ausgabe, Paul Ritter, in Band 1 dieser Reihe (1931) schrieb, nicht nur die im engeren Sinn politischen, sondern "auch alle Arbeiten zur Förderung der wirtschaftlichen und geistigen Kultur" zählen sollen, "wenn ... die Mitwirkung des Staates vorausgesetzt wird oder doch der praktische Zweck und nicht die wissenschaftliche Erörterung das Wesentliche ist" (S. XVII).

Abriss der Geschichte der Leibniz-Edition

1901 beauftragte die Generalversammlung der Assoziation der Akademien die Königlich-Preußische Akademie der Wissenschaften zu Berlin sowie die Académie des sciences, Paris, und die Académie des sciences morales et politiques, Paris, mit der historisch-kritischen Gesamtausgabe der in ü ber 60 000 handschriftlichen Textzeugen überlieferten Briefe und Schriften von G. W. Leibniz (1646 -1716). Die Zusammenarbeit der drei Akademien fand schon bald durch den 1. Weltkrieg ein Ende, und die Preußische Akademie führte das Projekt allein weiter. Die Leitung der Leibniz-Edition wurde Paul Ritter, einem Schüler Wilhelm Diltheys, anvertraut. 1923 erschien der erste Band der Ausgabe (Reihe I, Band 1).

Durch die Nationalsozialisten wurde der Edition ein beträchtlicher Schaden zugefügt. Der jüdische Mitarbeiter Paul Schrecker etwa war zur Emigration gezwungen worden, und später übernahmen dem Nationalsozialismus ergebene inkompetente Mitarbeiter vorübergehend die Edition. Nach dem 2. Weltkrieg wurde das Projekt von der Deutschen Akademie der Wissenschaften in Berlin weitergeführt. 1956 gründete der langjährige Mitarbeiter der Berliner Leibniz-Edition, Erich Hochstetter, die Leibniz-Forschungsstelle in Münster/Westfalen, wo seitdem die philosophischen Briefe und Schriften (Reihe II u. VI der Akademie-Ausgabe), ediert werden. Nach dem Mauerbau 1961 verließ auch der Leiter der Berliner Arbeitsstelle, Kurt Müller, die Stadt und erhielt 1962 in Hannover, wo sich der Leibniz-Nachlass (etwa 85 % des Handschriftenmaterials) und die von Leibniz aufgebaute Bibliothek aufbewahrt werden, die Möglichkeit, in dem neu gegründeten Leibniz-Archiv den allgemeinen, politischen und historischen Briefwechsel (Reihe I) zu bearbeiten. Später übernahm das Leibniz-Archiv auch noch die mathematischen, naturwissenschaftlichen und technischen Briefe und die mathematischen Schriften (Reihe III und VII), so dass der Berliner Arbeitsstelle nur noch die Edition der politischen Schriften (Reihe IV) aufgegeben war. Die Akademie der Wissenschaften der DDR blieb sich der Verantwortung für das Gesamtvorhaben bewusst, so dass trotz bestehender politischer Schwierigkeiten die nun eingetretene Arbeitsteilung rechtlich geregelt werden und eine für alle Beteiligten bis heute währende vorteilhafte Zusammenarbeit entstehen konnte. Die Akademie der Wissenschaften der DDR blieb Herausgeberin der im Berliner Akademie Verlag publizierten Gesamtausgabe. Die enge Verbindung der damals drei Editionsstellen fand nicht zuletzt auch darin ihren Ausdruck, dass die Göttinger Akademie der Wissenschaften - sie betreut die Arbeitsstellen in Münster und Hannover - und die Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften eine gemeinsame Leitungskommission für die Leibniz-Gesamtausgabe gebildet haben. Nach der Vereinigung der beiden deutschen Staaten und der Gründung der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften (BBAW) wurde die Berliner Editionsstelle in das Akademienprogramm des Bundes und der Länder aufgenommen und nach Potsdam umgesiedelt. 2001 richtete die BBAW in Berlin eine weitere Editionsstelle ein, der die Bearbeitung der naturwissenschaftlichen, medizinischen und technischen Schriften (Reihe VIII) aufgetragen wurde.